(Immer wieder) Auf ein Neues

Zutiefst berührt von den vielen Berichten der Flüchtlingskrise in den Medien, entschloss ich mich, einen Beitrag zur Integration zu leisten und ein Tanzprojekt für geflohene Jugendliche zu starten. Aufgrund einer Erfahrung, die meine damals 8-jährige Tochter bei einem finnischen Tanzworkshop machte (sie lernte viele finnische Begriffe beim Tanzen, obwohl sie sonst keine Interesse an der Sprache zeigte), wuchs in mir die Überzeugung, dass Tanz sich gut zur ergänzenden Förderung der Sprachentwicklung eignet und deshalb als supplementäres Element in einem deutschen Sprachkurs für Flüchtlingskinder hilfreich sein könnte. Im Laufe meines Studiums erfuhr ich von der Initiative  „ChanceTanz“ des Bundesverbands Tanz in Schulen, der über das größte deutsche Förderprogramm der Kulturellen Bildung, „Kultur macht Stark“, Maßnahmen für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche finanziell fördert. Mit tatkräftiger Unterstützung von Manfred Zalfen, einem tanzbegeisterten Rentner, der seit Jahren  zahlreiche Tanzfestivals und Initiativen organisiert, wurde ich in die komplizierten und aufwendigen Prozesse der formalen Antragstellung eingeführt (vielen Dank, Manfred!) und beantragte meine erste Maßnahme.

Mein erster Antrag wurde zurückgestellt: Es hieß, er wäre zu wissenschaftlich formuliert. Gekürzt, neu formuliert und präzisiert, wurde der Antrag schließlich genehmigt. Wir planten zwei parallel laufende Workshops, jeweils einen für Kinder und für Jugendliche. Bündnispartner waren das Familienzentrum Lighthouse, welches Kontakt zu den jungen Teilnehmern knüpfen sollte, und das Jesus Centrum Kassel, eine freikirchliche Gemeinde (und meine Heimatgemeinde), die uns Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung stellte. Hochmotiviert und freudig gespannt trafen wir uns (Deborah Smith-Wicke, Dhimas Satwiko, Vilja Hyninen, Kamir Amazigh und ich) am 7. März zu unseren ersten Workshops zudem allerdings nur neun Teilnehmer erschienen. Im Laufe der folgenden Wochen sollten wir die vielen Hürden der Integrationsarbeit kennenlernen. Die größte Schwierigkeit ist ohne Frage die hohe Fluktuation in den Einrichtungen. Manche Familien werden abgeschoben, manche bekommen eine Wohnung und ziehen aus, andere werden einer neuen Einrichtung zugeteilt und müssen deswegen zuerst nach Gießen fahren, um umregistriert zu werden. Anfänglich hatten wir das Gefühl, immer wieder das gleiche Material unterrichten zu müssen, weil jedes Mal neue Teilnehmer vor uns standen. Der optimale Standort unseres Workshop (einen fünf- bzw. zehnminütiger Fußweg von zwei verschiedenen Einrichtungen entfernt) erwies sich aus dem einfachen Grund, dass die meisten Flüchtlinge ihre Einrichtung selten verlassen (jedenfalls nicht für ein freiwilliges, kostenloses Angebot, welches über einen längeren Zeitraum stattfindet) als impraktikabel.

Also begann mein ungeplanter Crashkurs in die Strukturen der Flüchtlings- und Integrationsarbeit. Ich lernte Sozialarbeiter der verschiedensten Einrichtungen kennen. Ich sprach mit Heimleitern (eigentlich werden sie Objektleiter genannt), mit Mitarbeitern der Caritas und der Johanniter, mit anderen ehrenamtlichen Arbeitern und Lehrern von Sprach-Intensivklassen der unterschiedlichsten Schulen. Anfang April entschieden wir uns, dorthin umzuziehen, wo sich offene Türen und Teilnehmer befanden. Eine Erstaufnahme in Kassel-Niederzwehren wurde Standort des Workshops für Kinder.

Hinterlasse einen Kommentar